Harald von Hagen

Eventuelle Ähnlichkeiten zum Nibelungenlied sind rein zufällig.

„Mir dünkt, von himmlischen Geistern beraten, der Kelch ist leer!“

Traurig sah König Harald von Hagen, Hüter der Hammel und Durchlauchtigster Herzog der sieben Wiesen auf den Boden des Trinkgefäßes.

Mehrere Diener, zwölf an der Zahl, liefen herbei und verbeugten sich höflichst.

„Was machen sie denn da?“ fragte Harald von Hagen, nachdem er ihnen eine Weile erstaunt zugeschaut hatte.

„Wir warten auf ihren Getränkewunsch, euer Hochwohlgebohren! Auf das wir eurer Ritterlichkeit das passende Kaltgetränk zur Freude aller bereithalten können.“

Das leuchtete Harald ein. „Ah ja“, sagte er nach einer kurzen Denkpause, „stimmt ja. Ein edles Getränk zur Erfrischung meines Leibes nach diesem anstrengenden Tage!“

Einer der Diener nahm den Kelch und sie verschwanden allesamt in Richtung der Küchen.

Kurze Zeit später kamen sie wieder, mit dem nachgefüllten Kelch. Ein Schirm steckte im Glas. Doch inmitten der Diener trat eine weitere Person auf, die Harald von Hagens Freude auf sein Kaltgetränk einen Dämpfer verpasste: Le Bouf, der königliche Berater. Sein Auftreten bedeutete stets Arbeit und Harald von Hagen mochte keine Arbeit. 

„Harald!“ rief er ihm entgegen. Er war fast so motiviert wie ein Sportlehrer. Doch der Vergleich kam Harald von Hagen nicht in den Sinn. Das lag am Zeitalter.

„Le Bouf, wie angenehm Sie zu sehen! Tausend freudige Fische kommen mir in den Sinn und ich möchte singen!“ begrüßte ihn Harald mit einem erzwungenen Lächeln.

„Ich bringe frohe Kunde! Haltet euch wohl lieber fest mein teuerster, ihr werdet es kaum zu glauben wagen!“ verkündete der Berater. Frohe Kunde, dachte Harald, bringen hier nur meine Diener. Wie ein gieriger Geier griff er nach dem angereichten Kaltgetränk. Er kostete. „Wie wundervoll jenes Getränk perlt! Es ist die Krone der Natur!“

Herzog von Krombach, der wenige Meter entfernt an einem Tisch arbeitete, machte sich Notizen.

Mit einer Verbeugung kam Le Bouf vor dem aus massivem Gold gefertigten Thron zum stehen. „Eine tolle Nachricht soll ich euer Hochwürden überbringen! Aus dem Königlichen Lande Westerwälde, wo die goldene Sonne auf die Burgen scheint!“

Harald von Hagens Laune sank. Das Getränk schien nun doch nicht mehr so erfrischend.

„Die edelmütige und hochverehrte Königin Guldine von Kurvig möchte sie zu ihren jährlichen Festspielen einladen! Ihr Hofstaat mag wohl nichts lieber, als euch und eure Diener ganz ritterlich willkommen zu heißen!“

Das Getränk perlte gar nicht mehr.

„Das Beste, Herr König Harald von Hagen, kommt aber noch: Ihr sollet selbst am Wettkampf teilnehmen!“

Das Glas rutschte ihm aus der Hand: „Das perlt gar nicht mehr! Wie Unerfrischend!“

Die Diener eilten herbei, um das zerbrochene Glas webzubringen und den Boden zu trocknen. Herzog von Krombach zerknüllte sein Blatt und begann hektisch auf ein Neues zu kritzeln.

König Harald von Hagen fasste sich: „Wieso sollte ich daran teilnehmen?“

„Oh“, sagte Le Bouf, „Ihr werdet gegen die anderen Ritter und Edelmänner antreten, jawohl! Gegen den wilden Drachen sollet ihr kämpfen, den roten Diamanten aus den tiefen der Schaurigen Mine bergen. Wenn ihr jene Aufgaben mit königlicher Kraft bewältigen konntet, werdet ihr in der letzten Runde gegen die tapfersten Ritter der umliegenden Länder antreten. Dann sollt ihr einen Baumstamm werfen, so weit ihr könnt! Wenn der eurige am weitesten fliegt, gebührt euch die ach so herrliche Ehre, um die Hand der Tochter Guldine II von Kurvig anzuhalten!“

König Harald von Hagen schaute seinen Berater misstrauisch an. „Wollet ihr mir jene Nachricht als Spaß der Späße verkünden oder tretet ihr in voller Aufrichtigkeit vor mich?“

Le Bouf schien gekränkt: „Habe ich euch jemals eine falsche Botschaft untergejubelt?“

Das musste der König Harald von Hagen einsehen. „Nun gut. Dann ist es wohl so, dass ich antreten werde, um die Hand der Tochter Guldine II von Kurvig anzuhalten. Auf das ich wohl beweisen mich muss, als der tapferste und stärkste und klügste und reichste aller Edelmänner und Ritter der umliegenden Länder! Wann sollen die hochgefeierten Festspiele stattfinden?“

Le Bouf kramte in seiner Tasche. Ungeschickt durchsuchte er die vielen Zettel und Briefe, dann fand er den richtigen. „Am ersten feierlichen Tage des Oktobers diesen Jahres, vor dem edlen und hohen Schlosse der Königin Guldine von Kurvig!“

„Also übermorgen?“ versicherte sich König Harald von Hagen. „Jawohl“, antwortete Le Bouf.

„Ach wie kurz ist nur die Kostbare Zeit, die mir verbleibt, mich für den Wettkampf zu rüsten! So will ich noch schnell in Drachenblut baden, damit ich unbesiegbar werde.“

„Vortrefflichster aller Pläne“ gratulierte ihm Le Bouf.

Die Diener trugen eine Kostbare Badewanne mit goldenen Füßen in den Saal. Dann verließen sie den Saal, ebenso wie alle anderen. Übrig blieb nur Harald.

Nachdem er fertig gebadet hatte, ging es los. Er war jetzt unbesiegbar.

Gemeinsam mit 4 Tonnen Gold, Wagen voll mit Schätzen und 8000 Dienern und Dienerinnen marschierte er in Richtung Westerwälde. So hießen die Länder von Königin Guldine von Kurvig. Dort zog sie ihre Drachen auf. Einmal im Monat ging sie mit ihnen spazieren, und schaute ihnen dabei zu, wie sie alles umliegende verbrannten und verwüsteten. Schnuckelig. Danach hatten die Bewohner jeweils einen Monat Zeit, alles wieder aufzubauen.

Fünf Tage später kamen sie vor den Toren von Guldines Schloss an. „Er, König Harald von Hagen, erbittet um Einlass für sich und seine 8000 Gefährten. Viele Schätze und Gold bringen wir zur Begrüßung an den Hof!“

Stille.

Dann beugte sich ein Ritter über die hohe Mauer und schaute zu ihnen hinab: „Ihr seid zu spät! Ist das euer Dank für jene Einladung?“

Harald überlegte kurz und sprach: „Jene Einladung war zu kurzfristig! Ich konnte nur eben schnell in Drachenblut baden und machte mich gleich darauf auf den Weg, so schnell es ging!“

Der Ritter auf der Schlossmauer verschwand kurz und tauchte dann wieder auf. „Okay. Ihr dürft reinkommen. Wir haben ja zum Glück noch nicht mit den Festspielen angefangen, wir sind nämlich seit 3 Tagen im großen Saal und feiern und trinken Met.“ Er schwankte. Dann fiel er von der Mauer und landete im Graben.

Die Zugbrücke sank hinab und Harald und die anderen 8000 traten in den Innenhof. Sofort ertönten Fanfaren und Königin Guldine trat ihnen entgegen: „Seid gegrüßt, edler Harald!“

Harald verbeugte sich ziemlich und seine Diener traten vor, um Guldine mit Gold und Edelsteinen zu überschütten. Das machte man damals so.

Daraufhin kamen ihre Diener, mit Schaufeln in den Händen, um sie aus dem Berg aus Schätzen wieder zu befreien. Auch das war so üblich.

Guldines Hofstatt trat ebenfalls aus dem großen Saal, gefolgt von den anderen edlen Gästen und ihren Dienern. Guldine verschaffte sich Ruhe: „Ihr edlen Gäste, lasset uns die Festspiele nun schnell beginnen! Auf zur Arena!“

Im völlig überdimensionierten Schlossgarten waren Sitzränge aufgebaut. Allesamt nahmen sie Platz.

Harald von Hagen stand, neben zwei anderen Rittern, inmitten der Arena. Königin Guldine hielt eine feierliche Ansprache: „Ihr edlen und tapferen drei! Zum besseren Verständnis werde ich euch kurz vorstellen. Links steht König Gumlund, er ist sehr tapfer. In der Mitte steht der König Gnullus, er ist sehr stark. Und rechts steht König Harald von Hagen, er ist sehr stark, sehr edel und sehr unbesiegbar. Er hat nämlich in Drachenblut gebadet. Ich bin gespannt, wer gewinnt. Holt den Drachen!“

Der Drache war riesig. Er stürmte durch den Park auf die drei Edelmänner zu. Mit einem großen Bissen fraß er König Gumlund. Ärgerlich. Aber das war so bei Drachen.

König Gnullus wich aus. Eine Stichflamme aus dem Maul des Drachens traf Harald von Hagen, doch das war nicht weiter schlimm. Er war ja unbesiegbar. Schleunigst zog er sein Schwert, welches er einst den Seeschlangen des nordischen Meeres entrissen hatte. Es war aus Meeresstahl und außerdem Fünf Meter lang. Er holte aus und tötete den Drachen.

„Großartig, Harald von Hagen!“

Das Publikum war ganz entzückt. Königin Guldine erhob ihre Stimme: „Bravo, Harald! Und auch beeindruckend, dass König Gnullus noch lebt. Die zweite Aufgabe fällt aus, weil Harald sowieso gewinnt. Aber die dritte machen wir noch!“

Ihre Diener schafften zwei Baumstämme herbei, 80 Meter lang und mit einem Durchmesser von 2 Metern. „Los geht’s!“, verkündete Guldine, „werft so weit ihr könnt, der Gewinner darf um die Hand von Guldine II anhalten!“

Gebannt schaute das Publikum auf die beiden Hinab. König Gnullus war als erstes an der Reihe. Verzweifelt versuchte er, den absurd schweren Baumstamm zu werfen. Er scheiterte.

Dann war König Harald von Hagen an der Reihe. Er nahm ihn mit einer Hand, und schleuderte ihn mit voller Kraft. Er flog und flog, immer weiter. Dann verschwand er am Horizont.

Das Publikum murmelte. „Wie weit ist er wohl geflogen?“ fragten einige. Dann plötzlich hörten sie ein Pfeifen hinter sich. Da kam, mit ungeheuer Geschwindigkeit, der Baum aus der anderen Richtung auf sie zugeflogen, jagte über sie hinweg und landete auf dem Boden der Arena. Das Publikum johlte.

„Der Baum muss einmal um die Erde herumgeflogen sein!“, meinte einer. „Du meinst, einmal am Rand entlang im Kreis?“ fragte ein anderer. „Klar, wie denn sonst?“

Königin Guldine erhob sich: „Nun haben wir gesehen, wer der wahre Ritter ist! König Gnullus war nicht in der Lage, einen Tonnenschweren Baumstamm durch die Gegend zu werfen, er ist demnach unwürdig! König Harald von Hagen soll also meine Tochter heiraten! Er ist ein wahrer Edelmann!“

Da meldete sich König Harald von Hagen zu Wort: „Ich wollte eigentlich jemand anderes heiraten.“

Königin Guldine schaute ihn erstaunt an: „Wirklich? Achso, na dann..“, sie überlegte einen Moment. „Dann muss sie eben wen anderes heiraten. Nun lasset uns allesamt Zehn Tage lang feiern und uns anschließend große Mengen Gold schenken, so wie es üblich ist!“

Ende.

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